Allgemeines Zivilrecht – Verjährung

Wann verjähren zivilrechtliche Ansprüche?

Grundsätzlich gilt eine Verjährung von drei Jahren zum Jahresende. Sämtliche Ansprüche, die im Jahr 2011 entstehen, verjähren also am 31. Dezember 2014, 24 Uhr:

§ 195 Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Daneben gibt es noch einige Höchstfristen in den Absätzen 2 bis 4 des § 199.

Verjähren Gesundheitsschäden erst nach 30 Jahren?

Nein, bei der Frist des § 199 Abs. 2 BGB handelt es sich nur um eine Maximalfrist:

Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Sie verjähren also spätestens 30 Jahre nach der Handlung, die den Gesundheitsschaden ausgelöst hat.

Ist aber zuvor sowohl der Schaden entstanden und dem Geschädigten der Schaden bekannt gewesen, gilt die Jahresendverjährung von drei Jahren ab diesem Zeitpunkt (§ 199 Abs. 1):

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Anders gesagt: § 199 Abs. 1 und Abs. 2 geben zwei verschiedene Verjährungsfristen an, von denen die jeweils kürzere zählt.

Kann ein Rücktrittsrecht verjähren?

Nein und ja.

Grundsätzlich kann gemäß § 194 Abs. 1 nur ein Anspruch, also das Recht, ein Tun oder Unterlassen zu fordern, verjähren. Der Rücktritt ist aber kein Forderungsanspruch, sondern ein Gestaltungsrecht.

Darum gibt es den (schwer verständlichen) § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB:

Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft.

Danach verjährt der Rücktritt zwar nicht, er wird aber unwirksam, wenn die zugrunde liegende Forderung verjährt ist. Das bedeutet also, dass bei Kaufverträgen ein Rücktritt nach zwei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3) regelmäßig ausscheidet.

Kann man etwas zurückfordern, das man trotz Verjährung geleistet hat?

Nein. § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB sagt eindeutig:

Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist.

Damit sind Rückzahlungsansprüche aus §§ 812 und 813 BGB ausgeschlossen.

Die Regelung ist insofern ein Kompromiss: Ist eine Forderung verjährt, muss man nicht zahlen. Hat man bezahlt, bleibt es aber dabei.

Kann man mit einer verjährten Forderung aufrechnen?

Ja, § 215 BGB sagt ausdrücklich:

Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.

Wenn sich die beiden Forderungen also jemals unverjährt gegenüber standen, kann aufgerechnet werden, auch wenn später Verjährung eingetreten ist.

Nicht möglich ist es daher aber, nach Eintritt der Verjährung eine Schuld einzugehen und diese dann mit Verweis auf die frühere Forderung nicht zu erfüllen.

Was ist die Silvesterverjährung?

So bezeichnet man die Tatsache, dass die meisten zivilrechtlichen Ansprüche immer zum Jahresende verjähren, also am 31. Januar, 24 Uhr.

Mehr dazu: http://bgb-faq.de/2011/06/29/wann-verjaehren-zivilrechtliche-ansprueche/

Welche Ansprüche verjähren nicht?

Es gibt einige wenige Ansprüche, die überhaupt nicht verjähren.

Gemäß § 898 verjähren die Grundbuchberichtigungsansprüche gemäß § 894 bis 896 nicht. Dies ist logisch, denn ansonsten könnte ein unrichtiges Grundbuch mitsamt der dort eingetragenen Eigentumsverhältnisse „rechtskräftig“ werden, da es nicht mehr korrigiert werden kann – aber materiell wäre es trotzdem falsch.

Umgekehrt verjähren auch im Grundbuch eingetragene Rechte gemäß § 902 BGB nicht.

Auch verschiedene, in § 924 BGB explizit aufgezählte nachbarrechtliche Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung.

Wer trägt die Beweislast für die Verjährung?

Hier gilt die allgemeine Beweislastregelung, dass jeder die für ihn günstigen Tatsachen beweisen muss. Der Schuldner, der sich auf Verjährung beruft, muss den Beginn der Frist beweisen, der Gläubiger dagegen eventuelle Hemmungen oder Unterbrechungen beweisen.

Wann ist die Verjährung gehemmt?

Die Hemmungstatbestände der Verjährung werden in den §§ 203 bis 208 geregelt:

  • Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger (§ 203)
  • Klageerhebung und andere Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch den Gläubiger (§ 204)
  • Berechtigung des Schuldners zur Leistungsverweigerung (§ 205)
  • höhere Gewalt, die den Gläubiger an der Rechtsverfolgung hindert (§ 206)
  • familiäre Gründe, da man aufgrund des engen Verhältnisses die Ansprüche nicht sofort geltendmachen muss (§ 207); bei Kindern gilt dies aber nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs, bei Ehegatten solange die Ehe besteht
  • bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs und bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft (§ 208)

Die Hemmungstatbestände sind von denen der Ablaufhemmung zu unterscheiden.

Was ist die Rechtsfolge der Verjährungshemmung?

Die Zeiträume, in denen die Verjährung gehemmt ist, werden gemäß § 209 BGB nicht in die Verjährungsfrist miteingerechnet, das Ende der Frist und damit der Eintritt der Verjährung schiebt sich also entsprechend hinaus.

Beispiel: Verjährung würde eigentlich am 31.12.2016 eintreten. Vom 1. März 2015 bis zum 31. Juli 2015 war die Verjährung wegen eines Leistungsverweigerungsrechts des Schuldners (§ 205) gehemmt. Dementsprechend verlängert sich die Verjährungsfrist um diese fünf Monate bis zum 31. Mai 2017.

Die Hemmung ist von der Ablaufhemmung zu unterscheiden.

Was ist die Ablaufhemmung der Verjährung?

Im Gegensatz zur normalen Verjährungshemmung wirkt die Ablaufhemmung nicht in dem Sinn, dass ein bestimmter Zeitraum nicht berücksichtigt wird. Vielmehr wird ein Zeitpunkt bestimmt, vor dem die Verjährung keinesfalls eintreten kann.

In § 210 ist bestimmt, dass gegen eine nicht voll geschäftsfähige Person, die zeitweise keinen Vertreter hat, die Verjährung erst sechs Monate nach dem Zeitpunkt eintreten, zu dem sie wieder einen Vertreter hat. Dieser Zeitpunkt ist also klar bestimmbar und es ist immer derselbe. Hatte sie dagegen während eines bestimmten Zeitpunkts im Laufe der Verjährungsfrist keinen Vertreter, verlängert sich dadurch die Verjährung nicht. Faktisch wird also dem neuen Vertreter stets mindestens ein halbes Jahr Zeit gegeben, um Ansprüche einzuklagen.

Ebenso verhält es sich bei Ansprüchen eines Verstorbenen und gegen einen Verstorbenen (§ 211), die Teil des Nachlasses geworden sind.

Was bedeutet Verjährungsunterbrechung?

Den Begriff der Unterbrechung einer Verjährung gibt es im Zivilrecht nicht mehr, § 212 spricht jetzt verständlicher von „Neubeginn“. Inhaltlich hat sich aber nichts geändert.

Was bedeutet der Neubeginn der Verjährung?

Beginnt eine Verjährung von neuem, so wird die Uhr quasi „auf null zurückgestellt“, die Frist beginnt wieder komplett von vorne, die bisher abgelaufene Zeit wird nicht berücksichtigt. Gründe hierfür ergeben sich aus § 212 BGB.

Beispiel: Eine Schuld wurde im Juni 2010 begründet und wäre somit am 31.12.2013 verjährt. Im April 2012 erkennt der Schuldner die Schuld durch eine Zinszahlung an, somit beginnt die Verjährung von vorn und dauert wieder drei Jahre zum Jahresende, endet nun also am 31.12.2015.

Wann tritt ein Neubeginn der Verjährung ein?

Die Gründe dafür, dass die Verjährungsfrist von vorn beginnt, werden in § 212 Abs. 1 BGB erschöpfend aufgezählt:

Die Verjährung beginnt erneut, wenn
1. der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
2. eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

Stellt Nacherfüllung ein Anerkenntnis dar?

Verjährungsrechtlich stellt sich die Frage, ob eine Nacherfüllung ein Anerkenntnis der Nacherfüllungspflicht darstellt, da dies die Verjährung von vorn beginnen lässt. Als Anerkenntnis gilt ein Nacherfüllungsversuch demnach aber nur, wenn die Nacherfüllung nicht lediglich aus Kulanz, sondern als Erfüllung einer vertraglichen bzw. gesetzlichen Pflicht geschieht. Dabei ist grundsätzlich auf die Sicht des Kunden abzustellen, wie er also die Handlung des Verkäufers verstehen durfte. Jedenfalls beginnt die Verjährung dann nicht neu, wenn der Verkäufer ausdrücklich erklärt, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu handeln.

Beginnt bei Nacherfüllung die kaufrechtliche Verjährung von Neuem?

Das ist höchst strittig.

Wird eine neue Sache geliefert („Nachlieferung“), so entstehen hinsichtlich dieser die Gewährleistungsansprüche von Neuem und verjähren eigenständig nach den Vorschriften des § 438, also in der Regel in zwei Jahren (Abs. 1 Nr. 3) ab Ablieferung der neuen Sache (Abs. 2).

Wird die alte, mangelhafte Sache dagegen repariert („Nachbesserung“), so wirkt dies dagegen – wenn überhaupt – nur als Anerkenntnis dieses Mangels und die Verjährung beginnt auch nur insoweit von Neuem. Die Verjährung verlängert sich also nur im Hinblick auf diesen Mangel sowie auf Schäden, die gerade aus der Nachbesserung entstanden sind.

Kann man die Verjährung durch Beantragung eines Mahnbescheids verhindern?

Prinzipiell ja, die Zustellung eines Mahnbescheids führt zur Hemmung des Verjährung gemäß § 204 Abs. 3 BGB. Grundsätzlich wirkt die Zustellung sogar auf den Zeitpunkt der Stellung des Mahnantrags zurück (§ 167 ZPO), sodass bereits das Einreichen des Formulars beim Mahngericht die Verjährung hemmt.

Der Mahnantrag muss im Allgemeinen nicht substantiiert begründet werden. Allerdings muss die Forderung individualisierbar sein, der Schuldner muss also erkennen können, auf welchen Anspruch sich dieser Mahnbescheid bezieht. Fehlt es daran oder wurde der Mahnbescheid durch falsche Angaben erschlichen (Bsp.: es wurde fälschlicherweise behauptet, die Gegenleistung sei bereits erbracht), so kann er die Verjährung nicht verhindern.

Wann verwirkt man ein Recht?

Verwirkung ist ähnlicher der Verjährung, ist aber nicht gesetzlich explizit geregelt und wird daher aber auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) gestützt. Die Voraussetzungen dafür, dass ein Recht verwirkt sein könnte, sind:

  • Zeitmoment: Der Berechtigte muss eine längere Zeit untätig gewesen sein, also sein Recht nicht wahrgenommen haben, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre.
  • Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat aufgrund dieser Untätigkeit in schutzwürdiger Weise darauf vertraut, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr ausüben werde.
  • Gesamtbetrachtung: Zudem muss, da die Verwirkung eben auf Treu und Glauben gestützt wird, das Ergebnis insgesamt interessengerecht sein.
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